physioscience , Thieme Verlag Heft 2-2023, Jahrgang 19) ISSN 1860-3351 Seite(n) 95 bis 96 DOI: 10.1055/a-2008-9607 CareLit-Dokument-Nr: 320146 |
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Zusammenfassung Hintergrund Harninkontinenz ist der unwillkürliche Verlust von Urin und kann durch verschiedene Erkrankungen verursacht werden. Die häufigsten Arten von Harninkontinenz sind Stressinkontinenz, Dranginkontinenz und Mischharninkontinenz [1]. Zur Linderung der Symptome von Harninkontinenz bei Frauen kann eine breite Palette von Maßnahmen ergriffen werden. Konservative Interventionen werden im Allgemeinen als erste Behandlungsmaßnahme empfohlen [2]. Trotz der zunehmenden Zahl von wissenschaftlichen Untersuchungen ist es nicht immer einfach, die wirksamsten Rehabilitationsmaßnahmen zu ermitteln. # Ziel Zusammenfassung der Evidenz aus systematischen Cochrane-Reviews, die die Auswirkungen von konservativen Interventionen zur Behandlung von Harninkontinenz bei Frauen untersuchen. # Methode Eine Stakeholder-Gruppe (nâ=â14), bestehend aus Kliniker*innen, Dienstleistungsnutzenden und Auftraggebenden, trug zur Entwicklung des vorab registrierten Protokolls bei [3]. Die Titel, Zusammenfassungen sowie Volltexte der Studien wurden von 2 unabhängigen Untersucher*innen begutachtet. Während der Datenextraktion und Analyse wurde die Evidenz nach den 3 häufigsten Inkontinenzarten unterteilt. Die konservativen Maßnahmen wurden im Vorfeld wie folgt unterteilt: mechanische Hilfsmittel (wie vaginale Kegel-Übungsgewichte), physiotherapeutische Behandlungsmaßnahmen, psychologische Interventionen, Komplementärmedizin und Maßnahmen zur Edukation, Verhaltens- und Lebensstilberatung. Primäre Endpunkte waren: Heilung oder Verbesserung von Harninkontinenz und die krankheitsspezifische Lebensqualität. Die Qualität der Studien wurde mittels Risk of Bias des Systematic Review (ROBIS) Tool [4] und die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz mittels der GRADE-Methodik (Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation) [5] beurteilt. Eine statistische Analyse mittels Meta-Analyse und Netzwerk-Meta-Analyse wurde u.âa. aus pragmatischen Gründen nicht durchgeführt. # Ergebnisse In der Übersichtsarbeit wurden 29 Cochrane-Reviews eingeschlossen. Davon untersuchten 7 die Effektivität von physiotherapeutischen Maßnahmen, 5 die Effektivität von Edukation, Verhaltens- und Lebensstilberatung, eine die Effektivität der Anwendung von mechanischen Hilfsmitteln, eine die Effektivität von Akupunktur und eine die Effektivität von Yoga. Es wurde kein Cochrane-Review zu psychologischen Therapien identifiziert. Aus den eingeschlossenen Cochrane-Reviews wurden 192 relevante Meta-Analysen mit Daten zu den primären Endpunkten extrahiert. Im Folgenden werden exemplarisch die Ergebnisse für Stressinkontinenz dargestellt, es liegen jedoch auch Ergebnisse für die anderen Arten von Inkontinenz vor (siehe Schlussfolgerungen). Es gab eine moderate bis hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz, dass Beckenbodentraining oder die Kombination aus Beckenbodentraining, Biofeedback und vaginalem Übungskegel bei der Heilung/Verbesserung der Harninkontinenz effektiver waren als eine Kontrollbehandlung (Placebo, inaktive Intervention oder Warteliste). Beckenbodentraining und vaginale Übungsgewichte verbesserten die Lebensqualität im Vergleich zur Kontrollbehandlung. Für die Heilung/Verbesserung der Stressinkontinenz gab es moderate bis hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz, dass Pessare plus Beckenbodentraining effektiver waren als Pessare allein, die Kombination aus Beckenbodentraining plus Verhaltensberatung effektiver waren als vaginale Übungskegel allein, intensives Beckenbodentraining effektiver war als weniger intensives Beckenbodentraining, Beckenbodentraining plus eine Adhärenzstrategie effektiver waren als Beckenbodentraining allein. Für die anderen konservativen Maßnahmen gab es keine Evidenz mit moderater oder hoher Vertrauenswürdigkeit. # Schlussfolgerungen Mit hoher Gewissheit (hoher Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) ist das Beckenbodentraining bei allen Arten von Inkontinenz im Hinblick auf Heilung/Verbesserung der Symptome und Lebensqualität besser als eine Kontrollbehandlung. Die Autor*innen berichten über eine moderate Vertrauenswürdigkeit der Evidenz, dass die Wirksamkeit des Beckenbodentrainings verbessert wird, wenn diese intensiver, häufiger, mit individueller Betreuung oder in Kombination mit einer Verhaltensberatung durchgeführt wird. Es gibt eine hohe Gewissheit, dass für die Heilung/Verbesserung von Stressinkontinenz, vaginale Übungskegel vorteilhafter sind als eine Kontrollbehandlung (aber nicht als Beckenbodentraining), dass die elektrische Stimulation für Frauen mit Dranginkontinenz von Vorteil ist und eine Gewichtsabnahme bei allen Arten von Inkontinenz zu einer Verbesserung der Symptome führt. Etwa die Hälfte der Ergebnisse lieferte eine moderate bis hohe Vertrauenswürdigkeit der Evidenz. Allerdings enthielten 81â% der Ergebnisse innerhalb der Cochrane-Reviews nur Daten aus einer Studie. Weitere Studien, v.âa. zur Untersuchung der Dosis-Wirkung-Beziehung und zur Langzeitbeobachtung, sind notwendig. # Limitationen Generell handelt es sich bei einem sogenannten Overview of Reviews um ein relativ neues Forschungsdesign und dementsprechend sind die Methoden zur Durchführung und zum Reporting noch recht heterogen [8]. So wurde beispielsweise erst im August 2022 eine konsensbasierte Reporting Guideline für Overviews nach den vorgegebenen Methoden des Enhancing the Quality and Transparency-of-Health-Research-(EQUATOR)-Netzwerkes fertiggestellt und veröffentlicht: das PRIOR-Statement (Preferred Reporting Items for Overviews of Reviews) [9]. Es ist daher schwierig, eine umfassende und valide Aussage über die methodische Qualität der meisten dieser Übersichtsarbeiten zu treffen (zumal es kein valides Assessment-Tool zur Bewertung des Biasrisikos dieser Übersichtsarbeiten gibt). Eine weitere Limitation besteht darin, dass sich Todhunter-Brown et al. ausschließlich auf Cochrane-Reviews konzentrierten und andere systematische Reviews nicht einbezogen. Es wurde auch nicht nach potenziellen neu veröffentlichten Primärstudien gesucht. # 17 May 2023 © 2023. Thieme. All rights reserved. Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany Literatur 1 Haylen BT, de Ridder D, Freeman RM. et al. An International Urogynecological Association (IUGA)/International Continence Society (ICS) joint report on the terminology for female pelvic floor dysfunction. Neurourol Urodyn 2010; 29: 4-20 DOI: 10.1002/nau.20798. CrossrefPubMedGoogle Scholar 2 NICE guideline [NG123], Hrsg. Urinary incontinence and pelvic organ prolapse in women: management. Natl Inst Heal Care Excell 2019. Im Internet (Stand: 01.10.2022): www.nice.org.uk/guidance/ng123 CrossrefPubMedGoogle Scholar 3 McClurg D, Pollock A, Campbell P. et al. Conservative interventions for urinary incontinence in women: an Overview of Cochrane systematic reviews. Cochrane Database Syst Rev 2016; DOI: 10.1002/14651858.CD012337. CrossrefPubMedGoogle Scholar 4 Whiting P, SavoviÄ J, Higgins JPT. et al. ROBIS: A new tool to assess risk of bias in systematic reviews was developed. J Clin Epidemiol 2016; 69: 225-234 DOI: 10.1016/j.jclinepi.2015.06.005. CrossrefPubMedGoogle Scholar 5 Guyatt GH, Oxman AD, Schünemann HJ. et al. GRADE guidelines: a new series of articles in the Journal of Clinical Epidemiology. J Clin Epidemiol 2011; 64: 380-382 DOI: 10.1016/j.jclinepi.2010.09.011. CrossrefPubMedGoogle Scholar 6 Francis AM, Madill SJ, Gentilcore-Saulnier E. et al. 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Harninkontinenz der Frau. Stand Dez 2021, Version 1.0. Im Internet (Stand 18.10.2022): www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/015-091l_S2k_Harninkontinenz-der-Frau_2022-03.pdf CrossrefPubMedGoogle Scholar
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