Einleitung: Die Durchimpfungsrate für Masern in Deutschland ist derzeit so hoch, dass Masern heute nicht mehr zu den häufig auftretenden Kinderkrankheiten gehört. Allerdings ist die Durchimpfungsrate noch zu niedrig, um eine ausreichende Herdimmunität in der Gesellschaft zu erreichen. Daher kommt es immer wieder zu Masernausbrüchen. Wie die Erfahrungen der letzten Jahre in Deutschland zeigten, kann ein solcher Masernausbruch jede Kommune und jeden Landkreis treffen. Wir beschreiben den Masernausbruch im Jahr 2011 in Frankfurt am Main und analysieren den epidemiologischen Verlauf um hieraus Schlussfolgerungen für sinnvolle Präventionsmaßnahmen zu ziehen.

Methode: Retrospektive, deskriptive Beschreibung des Masernausbruchs in 2011 in Frankfurt am Main. Analyse der demographischen Daten, des zeitlichen und räumlichen Verlaufs, mit dem Ziel, Infektionsketten darzustellen. Ein Fall wurde definiert als eine Masernmeldung mit positivem Masern -IgM-Nachweis und/oder einem direkten epidemiologischen Zusammenhang innerhalb der Inkubationszeit von zehn Tagen.

Ergebnisse: Zwischen Mitte Februar 2011 und Ende Juni 2011, mit Erkrankungsgipfel zwischen der 11. und 21. Kalenderwoche, 72 Masernfälle in Frankfurt am Main gemeldet. In einem Fall erwies sich die Diagnose als falsch, in zwei weiteren Fällen ließ sich die wirklich erkrankte Person wegen Krankenkassenkartenbetruges nicht ermitteln und in einem Fall handelt es sich um einen Touristen aus Asien, bei dem sich die Krankheitssymptome während des Aufenthaltes in Frankfurt entwickelten. Von den verbleibenden 68 Fällen handelte es sich in 42 Fällen (62%) um Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, in 26 Fällen (38%) jedoch um Erwachsene. 30 Erkrankte (44%) gehörten der ethnischen Gruppe der Roma an, darunter 27 Personen unter 18 Jahren. Im Gegensatz dazu war unter den 38 Personen, die nicht zu dieser Ethnie zählten, 23 Personen (60%) im Erwachsenenalter. Das Alter der Erkrankten reichte von sechs Monaten bis 49 Jahren, zwei Kinder waren unter elf Monaten und drei Personen über 40 Jahre alt und lagen damit außerhalb der Impfempfehlung des RKI. Der Altersmedian lag bei 15 Jahren. Betrachtet man den zeitlichen Verlauf des Masernausbruchs, so lassen sich verschiedene Stadien erkennen. Der Ausbruch begann bei Kindern und Jugendlichen aus mehreren Roma-Familien aus drei Stadtbezirken im Westen Frankfurts und breitete sich dann im Laufe der nächsten drei Monate über das gesamte Stadtgebiet aus. Es erkrankten im weiteren Verlauf zunehmend Erwachsene, überwiegend in der Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren, die weder zu den Roma zählten noch Kontakt zu einer bekannten erkrankten Person hatten. Unter den 18 Erkrankten der ersten 6 Wochen befanden sich 12 Kinder und Jugendliche aus zwei benachbarten Stadtteilen Frankfurts. In den folgenden vier Wochen wohnten von 23 Erkrankten 14 Personen in zwei Stadtteilen und 9 Personen stammten aus 8 anderen Stadtteilen. In den folgenden 10 Wochen erkrankten von 28 Personen nur noch 3 in zwei der urspünglichen Stadtteile während 25 Personen aus 14 verschiedenen Stadtteilen erkrankten, wobei bei den meisten Personen kein Kontakt zu einem Masernerkrankten erinnerlich war; überwiegend junge Erwachsene ohne Zugehörigkeit zur Ethnie der Roma. Dies wird durch eine Clusteranalyse verdeutlicht: anfangs konnten zwei Cluster mit acht bzw. zehn Personen identifiziert werden, später fanden dann nur noch vereinzelt Ansteckungen einzelner Personen innerhalb der Familie statt, in sechs Fällen eine Übertragung von einem erkrankten Erwachsenen auf ein Kind.

Diskussion: Masern sind in Deutschland schon lange keine Kinderkrankheit mehr. Bei der derzeitigen Durchimpfungsrate von ca. 90% muss immer wieder mit Ausbrüchen gerechnet werden, die häufig in Gemeinschaften beginnen, deren Zugang zu unserem Gesundheitssystem erschwert ist oder bei denen Vorbehalte gegen eine Masernimpfung besteht. Bei dem Masernausbruch in Frankfurt war zu beobachten, dass nach Abklingen der Erkrankungen in Roma-Familien aus benachbarten Stadtbezirken über das ganze Stadtgebiet verteilte Einzelfälle, überwiegend junge Erwachsene, erkrankten. Es konnte bei diesen Patienten auch bei gründlichen Ermittlungen kein Kontakt zu einem bekannten Masernfall ermittelt werden. Inwieweit Maßnahmen, wie Besuchsverbote und Riegelungsimpfungen in den Kindergemeinschaftseinrichtungen das Ausbruchsgeschehen positiv beeinflusst haben, lässt sich nicht nachweisen. Das Angebot einer Riegelungsimpfung für Roma-Familien wurde nicht wahrgenommen. Offenbar führte hier der Tod eines Mädchens vor einigen Jahren in zeitlichem Zusammenhang mit einer Masernimpfung zu nachhaltigen Vorbehalten in dieser ethnischen Gruppe. Riegelungsimpfungen können, bei der hohen Kontagiosität der Masern, nicht verhindern, dass Erwachsene ohne ausreichende Immunität auch ohne bewussten engen Kontakt zu einem Masernerkrankten sich infizieren und erkranken können. Da Riegelungsimpfungen nur in den ersten drei Tagen nach Kontakt sinnvoll erscheinen, kommt bei Masern diese Präventionsmaßnahme in der Regel oft zu spät: in zwei Fällen traten trotz Riegelungsimpfung Erkrankungen auf. Trotzdem erscheint es sinnvoll, eine Masernerkrankung und insbesondere einen Ausbruch an Masern zum Anlass zu nehmen, allen Personen unter 40 Jahren großzügig eine Masernimpfung anzubieten. Durch Elternbriefe können Eltern und Kinder aufgerufen werden, den Impfstatus der Kinder aber auch von sich zu überprüfen. Der hohe Informationsbedarf von Ärzten, Eltern und der Öffentlichkeit im Ereignisfall lässt sich nutzen um die Durchimpfungsrate gerade bei jungen Erwachsenen zu erhöhen und damit der Erreichung einer Herdimmunität näher zu kommen.

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Methode: Retrospektive, deskriptive Beschreibung des Masernausbruchs in 2011 in Frankfurt am Main. Analyse der demographischen Daten, des zeitlichen und räumlichen Verlaufs, mit dem Ziel, Infektionsketten darzustellen. Ein Fall wurde definiert als eine Masernmeldung mit positivem Masern -IgM-Nachweis und/oder einem direkten epidemiologischen Zusammenhang innerhalb der Inkubationszeit von zehn Tagen.

Ergebnisse: Zwischen Mitte Februar 2011 und Ende Juni 2011, mit Erkrankungsgipfel zwischen der 11. und 21. Kalenderwoche, 72 Masernfälle in Frankfurt am Main gemeldet. In einem Fall erwies sich die Diagnose als falsch, in zwei weiteren Fällen ließ sich die wirklich erkrankte Person wegen Krankenkassenkartenbetruges nicht ermitteln und in einem Fall handelt es sich um einen Touristen aus Asien, bei dem sich die Krankheitssymptome während des Aufenthaltes in Frankfurt entwickelten. Von den verbleibenden 68 Fällen handelte es sich in 42 Fällen (62%) um Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, in 26 Fällen (38%) jedoch um Erwachsene. 30 Erkrankte (44%) gehörten der ethnischen Gruppe der Roma an, darunter 27 Personen unter 18 Jahren. Im Gegensatz dazu war unter den 38 Personen, die nicht zu dieser Ethnie zählten, 23 Personen (60%) im Erwachsenenalter. Das Alter der Erkrankten reichte von sechs Monaten bis 49 Jahren, zwei Kinder waren unter elf Monaten und drei Personen über 40 Jahre alt und lagen damit außerhalb der Impfempfehlung des RKI. Der Altersmedian lag bei 15 Jahren. Betrachtet man den zeitlichen Verlauf des Masernausbruchs, so lassen sich verschiedene Stadien erkennen. Der Ausbruch begann bei Kindern und Jugendlichen aus mehreren Roma-Familien aus drei Stadtbezirken im Westen Frankfurts und breitete sich dann im Laufe der nächsten drei Monate über das gesamte Stadtgebiet aus. Es erkrankten im weiteren Verlauf zunehmend Erwachsene, überwiegend in der Altersgruppe zwischen 20 und 30 Jahren, die weder zu den Roma zählten noch Kontakt zu einer bekannten erkrankten Person hatten. Unter den 18 Erkrankten der ersten 6 Wochen befanden sich 12 Kinder und Jugendliche aus zwei benachbarten Stadtteilen Frankfurts. In den folgenden vier Wochen wohnten von 23 Erkrankten 14 Personen in zwei Stadtteilen und 9 Personen stammten aus 8 anderen Stadtteilen. In den folgenden 10 Wochen erkrankten von 28 Personen nur noch 3 in zwei der urspünglichen Stadtteile während 25 Personen aus 14 verschiedenen Stadtteilen erkrankten, wobei bei den meisten Personen kein Kontakt zu einem Masernerkrankten erinnerlich war; überwiegend junge Erwachsene ohne Zugehörigkeit zur Ethnie der Roma. Dies wird durch eine Clusteranalyse verdeutlicht: anfangs konnten zwei Cluster mit acht bzw. zehn Personen identifiziert werden, später fanden dann nur noch vereinzelt Ansteckungen einzelner Personen innerhalb der Familie statt, in sechs Fällen eine Übertragung von einem erkrankten Erwachsenen auf ein Kind.

Diskussion: Masern sind in Deutschland schon lange keine Kinderkrankheit mehr. Bei der derzeitigen Durchimpfungsrate von ca. 90% muss immer wieder mit Ausbrüchen gerechnet werden, die häufig in Gemeinschaften beginnen, deren Zugang zu unserem Gesundheitssystem erschwert ist oder bei denen Vorbehalte gegen eine Masernimpfung besteht. Bei dem Masernausbruch in Frankfurt war zu beobachten, dass nach Abklingen der Erkrankungen in Roma-Familien aus benachbarten Stadtbezirken über das ganze Stadtgebiet verteilte Einzelfälle, überwiegend junge Erwachsene, erkrankten. Es konnte bei diesen Patienten auch bei gründlichen Ermittlungen kein Kontakt zu einem bekannten Masernfall ermittelt werden. Inwieweit Maßnahmen, wie Besuchsverbote und Riegelungsimpfungen in den Kindergemeinschaftseinrichtungen das Ausbruchsgeschehen positiv beeinflusst haben, lässt sich nicht nachweisen. Das Angebot einer Riegelungsimpfung für Roma-Familien wurde nicht wahrgenommen. Offenbar führte hier der Tod eines Mädchens vor einigen Jahren in zeitlichem Zusammenhang mit einer Masernimpfung zu nachhaltigen Vorbehalten in dieser ethnischen Gruppe. Riegelungsimpfungen können, bei der hohen Kontagiosität der Masern, nicht verhindern, dass Erwachsene ohne ausreichende Immunität auch ohne bewussten engen Kontakt zu einem Masernerkrankten sich infizieren und erkranken können. Da Riegelungsimpfungen nur in den ersten drei Tagen nach Kontakt sinnvoll erscheinen, kommt bei Masern diese Präventionsmaßnahme in der Regel oft zu spät: in zwei Fällen traten trotz Riegelungsimpfung Erkrankungen auf. Trotzdem erscheint es sinnvoll, eine Masernerkrankung und insbesondere einen Ausbruch an Masern zum Anlass zu nehmen, allen Personen unter 40 Jahren großzügig eine Masernimpfung anzubieten. Durch Elternbriefe können Eltern und Kinder aufgerufen werden, den Impfstatus der Kinder aber auch von sich zu überprüfen. Der hohe Informationsbedarf von Ärzten, Eltern und der Öffentlichkeit im Ereignisfall lässt sich nutzen um die Durchimpfungsrate gerade bei jungen Erwachsenen zu erhöhen und damit der Erreichung einer Herdimmunität näher zu kommen.

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